Wie die SBB in die Cloud migrierte
Warum haben Sie sich entschieden, in die Cloud zu gehen?
Bereits 2015 hielten wir fest, dass wir, mit Microsoft als strategischem Partner, Kernfunktionen des ICT Workplace aus der Cloud beziehen wollen. Dies auch, weil wir unabhängig von Arbeitsort und Arbeitsgerät werden wollten. Im Wesentlichen führten dann vier Gründe dazu, dass wir die Revolution starteten:
- Window of opportunity aufgrund des LifeCycles der OnPrem Plattformen
- Die Reife von Office 365
- Um eine verbesserte und einfache Kollaboration zu ermöglichen (orts- und geräteunabhängig) und damit die digitale Transformation der SBB zu unterstützen
- Die Chance, Betriebskosten zu reduzieren
Was haben Sie bei der SBB in der Public Cloud von Microsoft am Laufen?
Bis auf Skype, welches wir in einem nächsten Schritt noch ablösen werden, kommen aktuell alle Kollaborationsfunktionen aus der Microsoft Cloud. Insbesondere sind das Mail, SharePoint und Teams. Ebenfalls nutzen wir die Powertools, um in erster Linie administrative und unterstützende Prozesse abzubilden.
Im Rahmen des Vorhabens Modern Client Management prüfen wir aktuell den Einsatz von Intune für die Verwaltung der Endgeräte, die heute noch konventionell (SCCM) resp. im Bereich der Mobile Devices mit MobileIron verwaltet werden.
Was ist der grösste Nutzen der Public Cloud?
Der Zugriff von jedem Ort und mit jedem Arbeitsgerät auf die Daten der Firma und die uneingeschränkte Fähigkeit zur Kommunikation ermöglicht eine verbesserte Zusammenarbeit.
Dank der Innovationskraft von Microsoft entwickelt sich der Arbeitsplatz zudem immer weiter. Es wird uns ermöglicht ohne grosse Investitionen konstant einen modernen Arbeitsplatz zu haben.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist die Cloud interessant. Der Bezug ist skalierbar und wir bezahlen effektiv nur das, was wir nutzen. Wir waren in Dublin bei Microsoft im Rechenzentrum. Das umfassende Sicherheitskonzept, das wir dort sahen, liess bei mir keine Zweifel mehr offen, dass mit dem Umzug in die Cloud auch die Sicherheit und Stabilität erhöht werden konnte.
Was waren die Herausforderungen des Cloud-Projekts?
Ein solches Vorhaben gelingt nur, wenn das Toolset, das Skillset und insbesondere das Mindset in der Unternehmung vorhanden oder zumindest der Nährboden dafür schon vorbereitet ist. Beim Toolset fühlten wir uns sicher, beim Skillset der Anwender/innen schon weniger und beim Mindset hofften wir, dass die Veränderungsnotwendigkeit durch die digitale Agenda der SBB angekommen ist.
Eine Kollaborationsplattform wie Office 365 ist eine soziale Technologie, die Beziehungen aus der analogen Welt in die digitale Welt bringt. Diese sozialen Aspekte der Technologie sind im Veränderungsprozess zu berücksichtigen. Der Erfolg der Einführung von sozialen Technologien ist stark abhängig von der Reife des Unternehmens. Transparenz und Kollaboration waren in der Unternehmenskultur nicht bedingungslos vorhanden. Viele Prozesse hielten sich an der Hierarchie, wir waren kein «vernetztes Unternehmen».
Wir rütteln mit unserem Vorhaben massiv am Status-Quo, der von starkem transaktionalem Verhalten geprägt war. Die digitale Fitness, die Lernfähigkeit und den Lernwillen zu fördern, war eine grosse Herausforderung, insbesondere, weil die Rahmenbedingungen für das Selbstlernen, wie z. B. die benötigte Zeit, nicht vorhanden waren.
Auf Seiten der Technik hatten wir unerwartete Herausforderung in der Performance und Stabilität der Plattform. Dies förderte die Adaptionslust der Mitarbeitenden nicht gerade. Es kamen laufend technische Unzulänglichkeiten in unserer Infrastruktur an die Oberfläche, die erst mit unserem Vorhaben sichtbar wurden. Hauptbrennpunkt war das Netzwerk. Es summierten sich Themen in unserem Programm, die wir eigentlich nicht als mögliche Problemfelder auf dem Radar hatten.
Aufgrund der technischen Unzulänglichkeiten äusserte sich das Management immer negativer zu Office 365. Das war wie Öl ins Feuer für die Mitarbeitenden, die den Status Quo zementieren wollten. Den grossen Sponsor, der auch das Tal der Tränen mit uns zusammen vorbehaltlos durchschritt, gab es nicht. Da wurde in der «Krise» auch an Themen gerüttelt, die vorher nicht bestritten waren, wie z. B. der Verzicht auf Präsenzschulungen. Ebenfalls wurde offen am Kompetenzniveau der Programmmitarbeiter gezweifelt.
Mit Technologie alleine ist es ja noch nicht erledigt. Was haben Sie für zusätzliche Massnahmen ergriffen, damit die neuen Technologien auch akzeptiert werden?
Die Einführung einer Kollaborationslösung ist in der Tat kein normales IT Projekt. Wir machten dies nicht zum Selbstzweck, sondern wollen mit einem modernen, sehr leistungsfähigen Arbeitsplatz die maximale Produktivität der Anwender/innen unterstützen. Dafür mussten wir sicherstellen, dass die Anwender/innen die neuen Werkzeuge beherrschen und sich eine positive Anwendererfahrung einstellt.
Wir investierten rund 40% des Programmbudgets in das Thema «Mensch und Organisation». Dabei setzten wir auf Workplace Champions, auf ein Anwenderboard, auf blended learning Angebote, auf Teamberatungen, auf schweizweite Roadshows, Auftritte bei Organisationsanlässen, wie z. B. der Kaderkonferenz etc.
Wir stellten schnell fest, dass wir uns mit unserem Produkt im Sandwich befanden, gerade was die Adaption betraf. Wir bauen auf digitalen Grundkompetenzen auf, die dann aber sehr verschieden vorhanden waren. Auf der anderen Seite waren wir auch Teil der Arbeitswelt der Zukunft, wo es um Themen ging wie Organisationsstrukturen der Zukunft etc.
Wie gross war die Akzeptanz zu Beginn der Umsetzung? Konnten Sie eine stärkere Nutzung der Tools feststellen?
Dadurch, dass wir mit dem Mail und den Ablagen (SharePoint) Systeme in die Cloud verschoben haben, die täglich genutzt wurden, war von Beginn weg die Nutzung hoch. Schwieriger war es mit den Werkzeugen, die eine Anpassung der Arbeitstechnik erforderten, wie z. B. Teams oder Yammer. Da war der Drang der Mitarbeitenden schon sehr gross, Workarounds zu suchen, um möglichst lange keine Berührung mit den Tools zu haben. Auch die Begeisterung für die Selbstlernangebote hielt sich in Grenzen, war in der SBB doch üblich, dass es für neue Werkzeuge Präsenzschulungen gab.
Dazu kam, dass die digitale Fitness der Anwender*Innen doch sehr differenziert war. Da war eine grosse Überforderung spürbar, die sich dann in negativem Verhalten spiegelte.
Hat schlussendlich COVID Ihre digitale Transformation bewirkt?
Ja, das würde ich so sagen. Veränderungen geschehen immer mit Freude oder aus einem Schock. Wir stellten doch eine gewisse Trägheit der Organisation für Veränderungen fest.
Nehme ich z. B. die Nutzungszahlen von Teams zur Hand, stellen wir fest, dass erst die Krise die Durchdringung hervorbrachte. Bis zu COVID-19 hatten wir im Schnitt monatlich rund 5’000 aktive Meeting-Teilnehmer. Im April 2020 waren es nahezu 20’000. Noch eindrücklicher ist die Zahl der «First time Users» im März und April, die bei über 5’000 lag. Wir zählten im April 2.5 Mio. Chat Messages gegenüber rund 800’000 vorher.
Wie kam Ihnen das umgesetzte Cloud-Projekt während der aktuellen (COVID-) Situation zu Gute?
Die Mitarbeitenden konnten sozusagen von einem Tag auf den anderen ins Homeoffice, ihre Arbeit wie gewohnt weiterführen und den Kontakt zur SBB halten. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen wäre, wenn wir den Workplace noch nicht in der Cloud gehabt hätten.
Entsprechend wurde auch attestiert, dass unser moderner Arbeitsplatz so einen radikalen Schritt ins Homeoffice überhaupt erst ermöglichte.
Dies gab uns auch die Freiheit, flexibel auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren. So publizierten wir innert Kürze diverse Hilfestellungen und Best Practices für die Arbeit im Homeoffice und führten zusammen mit dem Service Desk eine telefonische «Homeoffice-Beratung» ein.
Glauben Sie, dass die aktuelle Situation mit Homeoffice, Remote Meetings etc. auch nachhaltige Änderungen auf die sonstige Arbeitsweise bei der SBB haben wird?
Die Corona-Krise hat aus der Not heraus Flexibilität auf der gesamten Breite am Arbeitsplatz ermöglicht. Ich glaube schon, dass sich bei der SBB ein Teil dieser neuen Arbeitskultur dauerhaft verändert. Homeoffice könnte nun, auch dort, wo es bisher für unmöglich gehalten wurde oder aufgrund von veralteten Führungsmustern nicht erlaubt wurde, ein Bestandteil der Arbeitskultur werden.
Viele Mitarbeitende mussten neue Lösungsansätze suchen, um ihre Arbeit erledigen zu können. Diese erhöhte Adaptionsfähigkeit u.a. von neuen Technologien wird sich sicher teilweise auch festsetzen, sodass die SBB resilienter und adaptiver wird. Ich bin überzeugt, dass alle Mitarbeitenden digital fitter aus der Krise herausgehen.
Eines hat die Krise auch gezeigt. Der digitale Arbeitsplatz, die Revolution, die wir hatten, die war richtig und wichtig! Das konnte viele Mitarbeitende, die bisher skeptisch waren und sich den neuen Technologien verwehrt haben, aufwecken. Das Vertrauen in unsere Infrastruktur wurde gestärkt. Wir erhoffen uns, dass sich dieses Vertrauen festsetzt und die Offenheit gegenüber Neuem zugenommen hat.